Henriette-CNC

Berichte über meine Selbstbau-Portalfräse, meine Bernardo Drehmaschine und allerlei Basteleien

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UMBAUANLEITUNG für spielfreie chinesische Festlager und Kugelgewindespindeln

Titel

Liebe Leser!

Dieser Artikel haben manche Leser schon lange erwartet und ich wurde immer wieder via PN und Emails dazu ersucht, mit einigen Tipps auszuhelfen. Das war für mich jedes Mal sehr aufwändig, daher stelle ich jetzt endlich die soeben fertig gewordene Anleitung nach über einem Jahr online.

Viel Spaß beim Lesen,
Heini

Im Zuge der Justier- und Einstellarbeiten meiner mechanisch fertigen Fräse erhielt ich rasch einen herben Rückschlag. Alle drei Spindeln hatten ein axiales Spiel von 2-4 Zehntelmillimeter, also fast einen halben Millimeter. 

Nach umfangreichen Untersuchungen fand ich heraus, dass die Kugelmutter lediglich 2/1000mm Spiel hat, jedoch das mit 2 chinesischen Schrägkugellagern verspannte Festlager für die 2-4 Zehnel-Millimeter verantwortlich war. Kurz gesagt: Das ist ein Konstruktionsfehler der Chinesen. Wer das also nicht korrigiert, lebt weiterhin mit diesem riesigen axialen Spiel und Kreise werden weiterhin zu Ellipsen.
Beim chinesischen Original liegen die inneren und die äußeren Kugellagerschalen plan aufeinander und ein Verspannen der inneren Kugellagerschalen durch festziehen der eckigen Mutter wäre unmöglich.  

Bei meiner Lösung hingegen ist dazwischen eine Distanzscheibe (Handels- bzw. Fachausdruck: “Passscheibe”), die dafür sorgt, daß die inneren Kugellagerschalen nicht aufeinanderliegen können. Durch das gewonnene Spiel zwängt die aufgeschraubte viereckige Mutter die beiden Innenschalen (hier blau gezeichnet) in die Kugelbahnen, die Vorspannung ist damit hergestellt. Der wichtigste Ansatz ist der hier in meiner damals „ersten Handskizze“. 

Man sieht hier schön das Problem:

Kugellager richtig verspannen

1) Hier fehlt die Distanzscheibe noch:

 Festlagerproblem falscher Ansatz

Wie man hier schön sehen kann, wurden die beiden Kugellager einfach zusammengelegt und eingebaut, im Lagerblock gibt es zwischen den beiden Kugellagern gar keinen Steg. Wie schon oben erwähnt, liegen sowohl die äußeren Schalen als auch die inneren Schalen der beiden Kugellager glatt aufeinander. Für das Vorspannen haben die inneren Schalen keinerlei Platz zum Nachgeben.habe das Haarlineal draufgelegt und da ist nichts, auch kein Hundertstel Millimeter, frei, um es doch noch richtig Vorspannen zu können. Egal, wie stark man die Mutter zuschraubt, die beiden Lager pressen sich mit innerem und äußeren Ring gleich an gleich aneinander. Nachdem beide Kugellager jeweils gleichviel, 2-3/10mm, axiales Spiel haben, wird dieses weiterhin ans ganze System übertragen, die Spindel fährt also genau über diesen Weg hin- und her. Da könnte man ja gleich nur ein einziges Kugellager verbauen. Spinnen die, die Chinesen?. Das war auch das, was ich vor Tagen schon von außen mit freiem Auge gesehen hatte.

2) Hier ist die Distanzscheibe (Passscheibe) (grün) schon richtig eingezeichnet

 K800_Festlagerproblem richtiger Ansatz

 In den Fachbüchern wird zwischen 2 möglichen Arten der Vorspannung unterschieden:

 K640_X und O Methode

Bei diesen beiden Varianten werden einmal die inneren Kugellagerschalen beim Vorspannen nach außen gedrückt, das andere Mal nach innen. Also wäre es genauso gut lösbar gewesen, eine Distanzscheibe in der Größe der inneren Kugellagerschalen zu verwenden. Der Nachteil dabei aber wäre gewesen, dass ich dann den Vorspannungsdruck auf die äußeren Lagerschalen ausüben hätte müssen. Dazu aber wäre die von den Chinesen beigelegte viereckige Mutter zu klein gewesen, was wiederum neue Konstruktionen zur Folge gehabt hätte.

Materialkosten:  Etwa € 0,30 Cent pro Festlager

Passcheiben zweizehntel und Einmillimeter

IMG_4828neu2


Das Ergebnis des Umbaus kann sich sehen lassen

Wenn man die beiden Kugellager sehr streng vorspannt ist das Spiel bei 70kg axialem Druck laut Messuhr etwa ein Fünftel der 1/100mm-Markierung – also 2/1000mm. Davon rate ich aber ab, weil ich dadurch nach mehrmonatigem Betrieb schon 2 Kugellager „verbraten“ habe. Es ist nämlich so, dass die kalten Kugellager zunächst spielfrei arbeiten, aber bei zunehmendem Erwärmen im  Betrieb alles zu eng wird. Man hört dann die Kugellager richtig „klackern“ und irgendwann sind sie dann defekt.  

Korrekt hingegen ist es, die Vorspannung so zu wählen, dass die Kugelgewindespindel gerade noch mit 2 Fingern drehbar bleibt. Dieser Einstellprozess erfordert Geduld und Erfahrung. Aber auch Anfänger können nach wenigen Minuten „fühlen“ ob es richtig oder falsch ist. Das Spiel wird dann in diesem Fall nicht hundertprozentig verschwunden sein, aber 1-2/100mm sind bei Kugelgewindespindeln der Hobbypreisklasse durchaus richtig!

Es ist nämlich wichtig, die Fräse ordentlich warmzufahren, also auch die Kugellager, damit dieses geringe Spiel von selbst verschwindet. Das mache ich jetzt selbst immer so, und das funktioniert bestens. Ein kleiner Tipp: Die Schmidtscreen von Manfred Schmidt wird in der nächsten Release so eine Warmfahrfunktion haben! Was auch helfen könnte, diese letzten 2 Hunderstel wegzubekommen, ohne durch Erwärmung schaden zu nehmen, wäre, den Expertentipp von Hermann Möderl anzuwenden. Herr Möderl verwendet, ich zitiere:

Tellerfedern aus Stahl

Tellerfedern aus Stahl  Werkstoff 1.1231 (bei zwei Scheiben aneinander in gleicher Richtung verdoppelt sich die Kraft) – zu finden hier

Diese Lösung ist hochinteressant und wird von mir gerne weiterempfohlen, wenn jemand wirkliche Präzision sucht.

Resümee

All der Aufwand entschädigt einen dann doch sehr. Man erhält für geringe Kosten und ein wenig Zeit sehr genaue Kugelgewindespindeln. Chinesische Kugelgewindespindeln sind so manchen Forenkritikern zum Trotz nämlich sehr gut verarbeitet und sehr genau, wenn man diese Modifikation berücksichtigt. Es ist halt immer leichter, laut zu Schimpfen und zu Schreien, als Nachzudenken und etwas zu lösen.

Dass der Umbau funktioniert, beweisen zahlreiche Lesermeinungen (zB. eine davon hier):

 K640_IMG_4843

„Hallo Heini, danke für Deine Anleitungen, seither habe ich kaum mehr Spiel und kann Deine Ergebnisse vollinhaltlich bestätigen. Ich wollte die chinesischen Spindeln schon entsorgen, jetzt bin ich sehr zufrieden damit!“ (Herbert A., Mail vom 02.04.2012 als Antwort auf meinen Forenbeitrag in der “Bastelstube”)

Als Anhang hier noch einige (selbsterklärende) Bilder

 K800_IMG_4831  K640_IMG_4829
Auf diesen beiden Fotos sieht man sehr schön, dass beide Schrägkugellager einfach bis zum Anschlag reingeschoben werden und ein Steg dazwischen völlig fehlt.

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Schön zu sehen: Links der erwähnte Abstand am Gehäusedeckel,
rechts der ursprüngliche Zustand.

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